Interview: Ein Musikzimmer in den eigenen vier Wänden
Vollblutmusiker zeigen ihre Leidenschaft & geben Tipps fürs Musizieren
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"Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum"
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
Egal ob zu Hause auf dem Sofa, im Auto oder auf der Arbeit: Für die meisten Menschen ist Musik ein wichtiger Teil des Lebens. Wer sich selbst musikalisch verwirklichen will, muss einiges beachten. Das wichtigste Equipment hast du allerdings wahrscheinlich schon, wenn du diesen Artikel liest: Leidenschaft und Interesse für Musik.
Wir haben mit einigen Musikern aus den verschiedensten Genres gesprochen, um dir einen Einblick in die Welt der Musik zu geben. Sie helfen dir herauszufinden, wie du deineceigenen vier Wände gestalten kannst, um kreativ, ungestört und auch professionell Musik aufzunehmen. Wir stellen dir die Musiker, ihre Faszination und Tipps zur Integration von Musik zu Hause vor. Und wer weiß, vielleicht lässt du dich davon inspirieren und entdeckst ein in dir schlummerndes Talent.
Chris Hees – Basslehrer und Musiker aus Leidenschaft
Chris Hees lebt und arbeitet in Essen. Er ist langjähriger Dozent an der MGI & BSM Köln und unterrichtet außerdem in seinen BassBüros in Essen und Bell in der Eifel.
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Wie lange machst du schon Musik und wieso ausgerechnet Bass?
Ich spiele seit 1976 Klavier und Gitarre. 1983 ist der Bass dazugekommen. Ich habe ihn von einem Musikalienhändler auf den Tresen gelegt bekommen, habe die dicke E-Saite berührt und war hin und weg.Ausgerechnet Bass, weil dieses Instrument erstens recht einfach funktioniert, es zweitens mit seinem tiefen Ton und Rhythmus eine große Macht über das Gelingen in einer Band hat und man drittens als Bassist ganz cool im Hintergrund der Bühne agieren konnte, als man noch ein bisschen schüchtern war!
Worauf sollte man achten, wenn man etwas zu Hause aufnehmen will?
Oh, das ist ein weites Feld. Je nachdem, was man machen möchte, fallen die Antworten ganz unterschiedlich aus. Allen gemein ist ein guter, absturzfrei laufender Rechner – heute in den meisten Fällen ein Mac mit Logic, Protools oder der einfachen, aber genialen App Garage Band - bei jedem Mac schon zu Beginn dabei. Ein gutes Audiointerface zum Anschluss von Kondensatormikrofonen plus aktive Schreibtisch-Monitore. Dann noch das Lieblingsinstrument, vielleicht ein gutes Mikrofon und los geht's mit dem Aufnehmen!
Ein guter, neutral klingender Raum ist Pflicht. Also keine Wohnzimmer mit blankem Parkett, dafür fast ohne Möbel. Besser ist ein moderat möblierter Raum, nicht beängstigend klein, aber auch nicht zu groß, nicht zu vollgestellt, vielleicht mit einem Schreibtisch, dem Rechner und der Abhöre darauf. Für mich ist es wichtig, im Stehen arbeiten zu können. Dann macht man mental auch ganz anders Musik. Für zwischendurch habe ich Stehhilfen, um konzentrierter üben und einspielen zu können.
Die erste wirkliche Frustration – so war das jedenfalls früher bei mir – kann übrigens sein, die eben erst gemachte eigene Aufnahme anzuhören. Neben der tollen Idee, die man vielleicht im Kopf hatte, hört man dabei vor allem auch, wie unpräzise man gearbeitet hat. Das braucht einfach einige Zeit und Übung. Aber es gibt ja Leute, die sich mit so etwas auskennen: Zu denen kann man hingehen, Fragen stellen und am eigenen Stil arbeiten. Instrumental- oder Gesangsunterricht bringen auch in Zeiten von YouTube immer noch die schönsten Aha-Erlebnisse und Fortschritte.
In was für einer Umgebung arbeitest du gerne zu Hause?
Jeder wie er's mag und kann! Ich selbst bin so ein Ordnungsfreak! Vor größeren Aktionen, bei denen ich mich lange konzentrieren muss, oder wenn ich meine Artikel schreibe, räume ich alles penibel auf, wische Staub, werfe Dinge weg. Dann ist alles klar Schiff und es kann losgehen. Viele Kollegen von mir arbeiten aber oft auch in totalem Durcheinander und liefern wirklich unglaubliche Sachen ab! Das ist also vor allem eine Sache der Mentalität.
Hast du generell Tipps für (junge) Leute, die anfangen wollen, Musik zu machen?
Jungen Leuten gebe ich gern das Folgende mit: Musik ist eine wundervolle Kraft im Leben. Abseits von allem, wo „interaktiv" lediglich draufsteht, ist Musik tatsächlich interaktiv. Im Gegensatz zu Smartphone, Playstation und Co. wird sie niemals Zeit fressen, sie hält sich immer zurück und kommt erst dann, wenn man sich ihr öffnet. Dann aber kann man etwas geben und bekommt auch etwas zurück. Man lernt etwas und andere lernen von einem selbst. Das Instrument selbst ist dabei nur ein Werkzeug oder die Rolle, die man sich aussucht. Und: Musik ist eine der höchsten Formen der Kultur. Sie beruhigt und hilft, bei sich selbst anzukommen. Aber sie kann auch schnell wieder gehen, wenn man es selbst nicht schafft, zur Ruhe zu kommen.
Junge Leute, die den Bass im Auge haben, sollten wissen, dass er allein nicht glücklich macht. Man braucht einen guten Draht zu den Mitmusikern und sollte die Fähigkeit entwickeln, innerhalb eines Songs die Verantwortung zu übernehmen. Wenn alle gerade abfliegen, weil es so gut groovt, ist es die Aufgabe des Bassisten, zusammen mit dem Trommler, cool zu bleiben und alle auf dem Teppich zu halten.
Wenn man schnell gelangweilt ist, greift man besser zur Gitarre. Da kann man jederzeit die Farbe wechseln. Wir Bassisten spielen ja oft unglaublich viele Wiederholungen.
Hören kann man Chris in der Abendkirche Bochum. Seine Workshops und Equipment-Tests findest du im deutschsprachigen Magazin BassQuarterly. Alle weiteren Informationen über den Bassisten findest du auf seiner Website chrishees.de. Chris spielt Elixir-Saiten und bevorzugt Instrumente von Human Base und Amps von TC electronic.
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Van Hazy – Indierock mit Herz und Kreativität
Die Band Van Hazy ist seit 2014 in der jetzigen Besetzung unterwegs. Allerdings kennen sich die drei Musiker schon seit vielen Jahren und haben in verschiedenen anderen Bands gespielt. Ihren Stil kann man als Indierock bezeichnen. Inspiriert von Künstlern der 60er Jahre und modernen Bands wie den Arctic Monkeys, MGMT oder den Queens Of The Stone Age verzaubern sie ihre Fans auf den Live-Shows mit selbstgestalteten Projektionen.
Was fasziniert euch daran, Musik zu machen?
Uns fasziniert, dass man gemeinsam an Liedern bastelt und dabei jeder seine Zutaten hinzugibt. Es kann einfach alles passieren, sobald man sich von seinen festen Vorstellungen löst – sei es beim Produzieren von Musik oder auf der Bühne. Es ist einfach immer spannend und aufregend. Wenn die Lieder stehen, arbeiten wir auch gerne an dem Drumherum: Musikproduktion, Artwork, Videos und Bühnenshow. Bei uns soll alles im Einklang stehen mit der Musik und deswegen haben wir gerne in all diesen Bereichen das Heft in der Hand.
Worauf sollte man achten, wenn man etwas zu Hause aufnehmen will?
© Van Hazy
Wichtig ist, dass man einen Raum hat, in dem man sich frei fühlt und laut sein kann. Man muss gerne dort sein und sich wohlfühlen. Gerade wenn ich singe, möchte ich meistens das Gefühl haben, dass mich niemand hören kann. Wenn wir das Schlagzeug aufnehmen, müssen wir dafür richtig laut sein können. Ungehemmt zu musizieren muss also möglich sein. Ein Raum, der Außengeräusche gut ausblendet, damit die Aufnahmen frei von Störgeräuschen sind, ist ideal. Kellerräume sind meist gut abgeschottet, klingen aber oft undifferenziert oder kühl.
Außerdem wichtig ist Platz. Man muss den Klang des Raumes kennenlernen, dann kann man ihn auch nutzen. Bei Bedarf hängt man die Wände ab, so gibt's einen trockenen Sound.
Der größte Vorteil daran, selbst zu Hause Musik aufzunehmen, ist der Einfluss, den man hat. Man kann viel ausprobieren, experimentieren und nach seinen Vorstellungen klingen lassen. Es macht Spaß, aber für gute Ergebnisse braucht man schon ein wenig Übung. Im Internet gibt es dazu zum Glück sehr viele Tipps, die besonders am Anfang helfen. Das schönste ist aber, dass es keine klaren Regeln gibt und jeder seinen eigenen Stil entwickeln kann. Genauso gut kann man alles so aufnehmen, wie man es möchte und es dann zum Mischen jemandem geben, der Ahnung hat.
Da es kein richtig oder falsch gibt, muss man jedoch sehr lange ausprobieren. Es ist alles zeitintensiv. Daher am besten lieber klein anfangen, nicht zu viel vornehmen, und dafür das, was man macht, dann gut machen. Das Equipment ist leider teuer und es gibt ein riesiges Angebot in jeder Preisklasse. Man muss sich hier viel einlesen und entscheiden, wo man viel investiert und wo nicht.
Gibt es Anfängerfehler bei Aufnahmen zu Hause?
Ja, denn man will erst einmal, dass alles richtig imposant und groß klingt, aber das ist oft für den Mix nicht gut. Außerdem verändert der Raum auch den Klang der Instrumente. Dann legt man oft den meisten Fokus auf seinen eigenes Instrument, weil man selbst gut klingen möchte.Neutrale Kopfhörer und Monitore sind unerlässlich, da man sich oft denkt: „Auf meiner Stereoanlage klingt es super, also überall sonst auch". Am besten nutzt man viele verschiedene Anlagen, wobei man da deren Eigenheiten kennen muss.
In was für einer Umgebung arbeitet ihr gerne zu Hause?
Gerne lebendig. Irgendwie wird jede Recording Session bei uns sowieso unordentlich, weil man dann doch noch etwas aufbaut oder ein Mikro verlegt. Wir richten uns auch gerne spontan irgendwo ein. Das Schlagzeug haben wir schon in verschiedensten Zimmern aufgebaut und dann müssen Mikro, Mac und so weiter auch relativ mobil sein. Wir hängen gerne Poster auf oder Plakate von Konzerten, die wir gespielt haben. Das macht einfach Lust auf mehr.
Welche Tipps habt ihr für Leute, die anfangen wollen, Musik zu machen?
Es ist wichtig, sich gut zu präsentieren. Auch der erste Eindruck zählt. Daher sollte man erst gut überlegen, was man machen will, proben, proben, proben und dann erst auftreten.
Van Hazy arbeiten gerade an der Fertigstellung ihrer dritten EP, mit der sie auch auf Tour gehen wollen. Um nichts von der Band zu verpassen, kann man sich auf Facebook, YouTube oder auf ihrer Webseite vanhazy.wordpress.com auf dem Laufenden halten.
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Eench – Elektronische Klänge, die nicht nur Berlin verzaubern
Die DJane Eench lebt und arbeitet in Berlin. Ihre Einflüsse stammen aus einem Leben in den unterschiedlichsten Umgebungen. Genauso abwechslungsreich wie ihr Alltag sind auch ihre Musik und die Genres, die sie kombiniert. Eines haben alle ihre Sets jedoch gemein: Eench erzählt mit ihrer Musik eine Geschichte und nimmt ihr Publikum mit auf eine Reise, die immer zu überraschen weiß.
© Eench
Was fasziniert dich am Hobby und Beruf DJ?
Schon früher, als ich mit 16 Jahren in den ersten Clubs und Bars unterwegs war und gesehen habe, wie nur ein einziger Mensch hinter so ein bisschen Elektronik steht und die Leute zum tanzen bringt fand ich das unglaublich. Ich war damals noch jemand, der sich immer Lieder gewünscht hat und hatte damals keine Ahnung, wie sehr das einen DJ in seiner Arbeit stört.Dann habe ich 2011 in Belgien in einem richtig guten Club mal einen DJ gehört. Das hat mir mein Weltbild der Clubmusik komplett gedreht: Er hat so schönen Deep Techno gespielt und die Leute mit auf eine Reise genommen – für Stunden. Das wollte ich auch machen – die Leute mit der Musik, die ich spiele, mit auf eine Reise mitnehmen. An einen Ort, den ich kreiere und schmücke.
Worauf sollte man achten, wenn man etwas zu Hause aufnehmen will?
Professionelles Produzieren in Heimstudios ist möglich, klar, aber ich würde es trotzdem nicht empfehlen. Klar, es kommt darauf an, wie professionell es am Ende dann wirklich sein muss – so ein paar Beats kann ich, wenn's sein muss, auch mit Ableton in einem Zugabteil basteln, aber wenn man gute Endergebnisse haben möchte, dann würde ich ein professionelles Studio empfehlen, welches man leicht mieten kann.
Der Raumklang in Aufnahmestudios sollte möglichst diffus sein, alle Frequenzen sollten gleich lang nachklingen, ohne dass unschöne Resonanzen entstehen, was mit korrekt angeordneten schrägen Elementen und Diffusoren erreicht werden kann.
In was für einer Umgebung arbeitest du gerne zu Hause?
Das Chaos, das mich durchs Leben peitscht, findet in meinem Kopf und auf gar keinen Fall in meinem Studiobereich statt. Da ist alles super ordentlich, alle Kabel verklebt, verschraubt und jedes Gerät hat seinen Platz. Alles steht genau da, wo es für mich am meisten Sinn macht, sodass das Handling leicht ist. Auch die Deko, wenn man es so nennen will, fällt hier eher subtil aus. Es hängt ein großes Poster von ODB an der Wand.
Was sagst du Leuten, die anfangen wollen, Musik zu machen?
Da jeder Mensch anders tickt, anders fühlt, anders liebt und lebt, ist es schwierig, einen allgemeingültigen Tipp zu geben, aber ich würde jedem, der Musik machen möchte, raten, sich die Leidenschaft nicht mit Druck zu zerstören. Wenn man etwas gerne macht, dann weil man keinen Druck hat, direkt etwas monumentales zu erschaffen, sondern weil es einem das Gefühl von Freiheit gibt. Und nur mit diesem Gefühl wird etwas gut.
Musik von Eench kannst du dir hier anhören.